Auch die Rhönquellschnecke ließ sich blicken: 150 neue Quellen erfasst und untersucht

RHÖN. In wohl keinem anderen Mittelgebirge in Europa werden Quellen so detailliert erforscht wie im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön. Die geschützten Biotope können nicht nur Aufschluss über die Wasserqualität geben, sondern sind wichtige Lebensräume für kleine Lebewesen, die mit dem bloßen Auge kaum zu entdecken sind. Auch in 2021 wurden wieder neue Quellen in Bayern, Hessenund Thüringen erfasst und untersucht. Dabei konnten zahlreiche Tierarten nachgewiesen werden. Allerdings wurde auch deutlich: Die wertvollen Quellbiotope sind gefährdet und müssen zum Erhalt dieser Arten besser geschützt werden.

Feuersalamander in einem Quellbereich im Naturschutzgebiet Schwarze Berge (Bayern) Foto: Stefan Zaenker

Als Grenzlebensraum zwischen Grundwasser und Oberflächengewässer haben Quellen eine hohe Bedeutung für spezialisierte Tier- und Pflanzenarten, die an diese besonderen Umweltbedingungen angepasst sind. Aus dem Grundwasser werden Organismen wie Höhlenflohkrebse, Muschelkrebse und Ruderfußkrebse eingespült, oder sie wandern aktiv ein. Fliegen und Mückenlarven nutzen die Quellen bis zur Flugfähigkeit als Kinderstube, und in strömungsarmen Bereichen kommen Wasser- und Schwimmkäfer vor. Tiere aus feuchten Landlebensräumen kommen in die Quellbereiche, um zu jagen oder ihre Brut zu legen: der Feuersalamander, verschiedene Insekten, Spinnentiere, Tausendfüßer, Asseln und Schnecken.

Die Kartierung umfasste in diesem Jahr die Gebiete Kammberg und Tannenberg bei Walkes (Thüringen), den Giebelrain bei Dietershausen (Hessen) und Teile des Naturschutzgebiets Schwarze Berge (Bayern). Der Fuldaer Stefan Zaenker und sein Team maßen Temperatur, pHWert und Leitfähigkeit des Wassers und erfassten das Pflanzenvorkommen. Der Fokus aber lag auf der Tierwelt, über die Aussagen zum Zustand des Quellbiotops getroffen werden können.

Untersuchung einer Quelle im NSG Schwarze Berge (Bayern). Foto: Stefan Zaenker

Die beiden Eiszeitreliktarten Rhönquellschnecke und Alpenstrudelwurm (Crenobia alpina) konnten in 30 bzw. 31 Quellen festgestellt werden. „Der Alpenstrudelwurm ist ein Indikator für absolut sauberes Wasser“, erklärt Zaenker. Auffällig war allerdings die Verteilung der beiden besonderen Quellarten: Mit Ausnahme von zwei Funden des Alpenstrudelwurms in Thüringen wurden beide Arten ausschließlich bei den Kartierungen in Bayern entdeckt. „Das unterstreicht die hohe Schutzwürdigkeit des Naturschutzgebiets Schwarze Berge.“ Die Larven der Köcherfliege (Crunoecia irrorata) konnten in 22 der kartierten Quellen nachgewiesen werden.

Größter Störfaktor: vom Menschen verursachte Umweltbelastungen. Hier: Müll in einem Quellbereich am Giebelrain (Hessen). Foto. Stefan Zaenker

Die Quellen, die von menschlichen Störungen weitestgehend geschützt sind, wiesen eine gute Qualität auf – das zeigten nicht nur die gemessenen physikalischen Werte, sondern zum Beispiel auch der Nachweis von Krebsarten, die ursprünglich Grundwasser besiedeln. „Viele der Quellen sind allerdings durch landwirtschaftliche Nutzung, durch Fassungen, Drainagen und Müllablagerungen gefährdet“, erklärt Stefan Zaenker. Das Ziel der drei  Biosphärenreservatverwaltungen ist daher, diese Standorte zu verbessern und als Lebensraum zu erhalten. „Vor allem mit Blick auf weitere Beeinträchtigungen durch die Klimaveränderungen ist es enorm wichtig, die Kartierungsarbeiten auch in Zukunft fortzusetzen“, erklärt der Experte. Trotz der jahrzehntelangen Arbeit sind etliche Quellstandorte noch nicht erfasst. „Hinsichtlich des Artenspektrums erwarten wir noch einige zoologische Überraschungen.“

Alle Infos zum Quellen-Projekt und den ausführlichen Jahresbericht 2021 finden Sie unter https://rhoen.quellen-grundwasser.de.